"Wie ist das denn so", fragt man uns häufig, "wenn man zwei total berühmte Internetkolumnistinnen für ein bekanntes Fachblatt ist?" Denn über kaum einen Beruf ist die Bevölkerung so schlecht aufgeklärt wie über den der Internetkolumnistin. Da Brigitte Young Miss und alt.taz.internetkolumnistinnen* ihren diesbezüglichen Auftrag vernachlässigen, hier das Wichtigste in Kürze:
Morgens, na ja, nachmittags schälen wir uns aus der seidenen Bettwäsche unter den vielen im Internet erworbenen Gespielen hervor. Nur mit knappen T-Shirts führender Hardwarehersteller bekleidet, die auf der Vorderseite ein geschmackvolles Logo und hinten die Aufschrift MEGA GEEK BABE tragen, tänzeln wir an den Rechner, dessen mächtige Internetanbindung den Durchbruch mehrerer Wände erforderte. Mit Hilfe von Eingabemetaphern, die ebenso wohldesignt wie ganz weit vorne sind, surfen wir ein wenig im Netz, während uns blutjunge Praktikanten die Zehennägel lackieren, bis es Zeit für die exklusive Website-Relaunch-Party bei Trendgetränken ist.
So denken sich die Leute das, und deshalb stehen sie vor den Umschulungskursen zur Internetkolumnistin Schlange. Tatsächlich war die glamouröseste Einladung der letzten Jahre eine zu Fräulein Strübel nach Hause. Statt rotem Teppich gab es Plastikparkett, wir tranken lauwarmen Gin Tonic aus der Dose und gingen früh schlafen. Auf unseren T-Shirts waren die geschmacklosen Logos nicht so führender Bierhersteller zu sehen, und hinten drauf stand ABI IRGENDWANN IM VORIGEN JAHRTAUSEND.
"Aber!", wendet der Leser ein, "ihr dürft doch bestimmt umsonst auf die Cebit, kriegt alle High-Tech-Geräte aus der ,Wired'-Abteilung ,Fetish' kostenlos zur Ansicht zugesandt und müsst euer c't-Abo nicht bezahlen? Spendiert man euch teure Forschungsreisen dahin, wo die Backbonekabel im Atlantik verschwinden?" Schön wärs. Stattdessen ersteigern wir selbst Batterien gebraucht bei eBay, die Rechenleistung unserer Hardware entspricht zusammengenommen der eines Tchibo-Fahrradcomputers, und das einzige Produkt, das uns je ein Hersteller kostenlos zugesandt hat, um unsere Meinung darüber zu erfahren, heißt "AOL 30 Tage kostenlos".
"Je nun, aber was ist mit der anbetenden Leserpost, braucht ihr da spezielle Spamfilter? Sicherlich gibt es da Fansites, die nur der Exegese eurer Worte gewidmet sind", vermutet der Leser. Klar bekommen wir jede Menge Huldigungen, die wir uns gegenseitig unter fremdem Namen schreiben. Der Rest der Zuschriften geht eher so: "Der Artikel ist zu kurz, unstimmig, fehlerhaft, unvollständig und nicht mal für eine Glosse gut genug!" Seit die Kolumne existiert, erreichen uns regelmäßig Vorschläge, anstatt immer über das Internet doch auch mal was über das Theater zu schreiben. Und wenn der Setzer nicht gewohnheitsmäßig unsere E-Mail-Adressen verstümmeln würde, wäre alles noch viel schlimmer.
"Aber gewiss stimmt doch wenigstens die Kohle?", erkundigt sich der Leser mit zitternder Unterlippe. Das ist immerhin wahr. Wenn man nebenbei so 4 bis 5 Tage die Woche putzen geht, keine Zeit in Recherche investiert und kurze, unstimmige, fehlerhafte, unvollständige Texte abliefert, die überhaupt nicht vom Internet handeln und zur Hälfte erlogen sind, doch, dann stimmt die Kohle.
KATHRIN PASSIG
* Vielen Dank, taz-Redaktion, für die Korrektur zu "Alt-taz-Internetkolumnistinnen". Rufschädigend ist das!
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